BERLIN. (hpd) ... in allen Schulen mit deinem Namen, o du König großer Schulreformen, der du da
weltlich gangest, wenn das deine Jünger wüssten, ihr Herz täte zerspringen.
Es ist kein Aprilscherz: Es sind allerdings offensichtlich die Iden des März gekommen, obwohl diese erst am 15. Tag des römischen Monats Martius terminiert sind: Eine Meldung befand sich gestern (11. März) in Berlin – hier in der „Welthauptstadt des Atheismus“ und der Hauptstadt Deutschlands – lange auf Nummer 1 in den Medien: „Schule muss Betraum für Muslime haben.“
Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts gab dem Antrag eines 14jährigen muslimischen Schülers des Diesterweg-Gymnasiums in Wedding statt. Der junge Mann möchte außerhalb der Unterrichtszeit in der Schule sein islamisches Gebet verrichten und das Gericht wies das Verbot der Schulleitung in die Schranken des Gesetzes.
Die Begründung beruft sich auf das Grundgesetz und die dort verankerte Religionsfreiheit. Es gehöre zur Freiheit, so die Richter, Glauben durch Beten zu bekunden. Dies beeinträchtige nicht den Bildungs- und Erziehungsauftrag und auch die Lehrer oder Mitschüler seien dem Gebet nicht „unentziehbar ausgesetzt“. „Schließlich könne die Schule dem Schüler durch entsprechende organisatorische Vorkehrungen ein ungestörtes Beten in einem für andere nicht ohne weiteres zugänglichen Bereich des Schulgeländes ermöglichen“ – unter staatlicher Aufsicht, wie es sich in deutschen Schulen und zu den entsprechenden Aufsichtspflichten gehört.
Im Übrigen erfordere das friedliche Zusammenleben in einer bekenntnisfreien Schule, dass die Schüler lernten, die religiöse Überzeugung anderer zu tolerieren und zu respektieren, heißt es in der Begründung des Gerichts weiter.
Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist und die Schule beim Oberwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Berufung einlegen kann, entbrannte Streit darüber, ob dieses Urteil eine Verletzung des Pluralitäts- und des Neutralitätsgebots der Schule darstellt oder nicht. Darüber gibt es Nachrichten im „Tagesspiegel“ bei „Spiegel online“ und in andren Medien.
Geschult im Umgang mit solchen Meldungen war es sinnvoll, erst einmal bei Juristen nach der Wahrhaftigkeit der Botschaft zu fragen mit dem Ergebnis: Man glaubt es nicht, aber es ist wahr.
Eine eilige Sofortumfrage bei verschiedenen Religions- und Weltanschauungsvereinigungen ergab interessante Ergebnisse. Der Vorsitzende des Freigeistigen Verbandes Berlin und Umgebung, Dr. Helmut Großkopf, sagte am Telefon: „Das ist ein wegweisendes Urteil, das wir so erwartet haben. Wir erkennen durchaus den gesetzmäßigen Zusammenhang von Gymnasium und Gymnastik. Wir meinen, dass auch hier Gleichbehandlung angesagt ist. Das bedeutet, dass dieser Richterspruch Folgen für alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften über Berlin hinaus haben wird in doppelter Hinsicht: Er wird für alle glaubensmäßigen Überzeugungen gelten müssen und für alle Schultypen ebenfalls. Wir erwägen, bei der Berliner und der Brandenburger Senatschulverwaltung einen entsprechenden Antrag einzureichen, der die gleichen Rechte unserer Gemeinschaft garantiert. Die freigeistig Konfessionsfreien sind doch hier in der Mehrheit. Sie wollen schon lange von 12:00 - 12:15 Uhr in den Turnhallen Yoga-Übungen abhalten. Ich denke, Beginn 1. April ist angemessen. Der 1. April ist ein Dienstag, da kann am Montag schon mal geübt werden. Selbstverständlich sind unsere Übungsstunden offen für religiöse Schülerinnen und Schüler aller Altersstufen. Die Beaufsichtigung der richtigen Yoga-Ausübung können wir bei Bedarf sicher stellen und erwarten entsprechend bezahlte Freistunden für die von uns beauftragten Lehrerinnen und Lehrer.“
Für die römisch-christliche Glaubensgemeinschaft erklärte deren Sprecher Bischof Bartholomäus Engels: „Das ist ein wegweisendes Urteil, das wir so erwartet haben. Wir erkennen durchaus den gesetzmäßigen Zusammenhang von richtiger Schule und wahrem Glauben. Es ist noch zu früh, das Urteil in all seinen Konsequenzen angemessen zu würdigen. Aber: Was für Muslime gilt, muss erst recht für gute Christen gelten. Es kann den Schülerinnen und Schülern, die der guten Lehre Christi folgen allerdings nicht zugemutet werden, bei ihren Gebeten den gleichen Raum und die gleiche Zeit zu nutzen wie es die Muslime tun – schließlich beten wir nicht zum gleichen Gott. Es ist sicher zu überlegen, in allen Schulen kleinere Kapellen als Einrichtungen der Schulen zu unterhalten. Selbstverständlich garantieren wir die Anwesenheit einer entsprechenden Gebetshilfe. Wir erwarten eine finanzielle Gegenleistung vom Staat. Außerdem scheint nun endlich das Ornat-Verbot vom Tisch zu sein. Vor Missbrauch der Regel ist zu warnen. Keine tibetanischen Masken in deutschen Schulen und keine Scientologen!“
Für die Wittenberger Richtung des Christentums teilte das Büro des Konsistorialratspräsidenten Dr. Norbert von Bleibtreu mit: „Das ist ein wegweisendes Urteil, das wir so erwartet haben. Wir erkennen durchaus den gesetzmäßigen Zusammenhang von Schul- und Glaubensreform und meinen, dass die Wiedereinführung des Schulgebets und die Umsetzung der Forderungen von ‘Pro Reli’ richtige Antworten auf das Urteil wären. Unsere Schulen haben einfach nicht genug Räume für alle Religionen. Weltanschauungen fehlt zudem das nötige Glaubenszubehör und den Muslimen jede Kirchenähnlichkeit. Wie will der Staat kontrollieren, ob hier jemand berechtigt betet oder sich nur dem Staat in der Schule entziehen will. Wir warnen vor jedem falschen Pluralismus und den Bestrebungen religiöser Fundamentalisten, Schulräume zu besetzen. Wir sind bereit, Lehrerinnen und Lehrer weiter zu bilden in ihrem Unterscheidungsvermögen, wahren inneren Glauben und Sektenaberglauben zu unterscheiden. Wir gehen davon aus, dass der Staat unseren Weltanschauungsbeauftragten entsprechende – selbstredend zu bezahlende – Aufträge erteilt.“
Inzwischen soll sich der Verlag Moritz Diesterweg, benannt nach dem Sohn von Adolph Diesterweg, bereit erklärt haben, Gebete in allen Sprachen flugs herauszugeben als Hilfe für nur deutschsprachige Schulangestellte, um Gebete von Flüchen unterscheiden zu können, wenn sie zur Aufsicht der Betenden eingeteilt werden. Die deutsche Schule soll seit Pisa 4 fluchfrei gemacht werden.
Wie verlautet, hat sich gestern Abend eine atheistische Lehrerinitiative „Pro Adolph Diesterweg“ gegründet, die aus dem Untergrund heraus für dessen Grundideen eintreten will in Form von Traktaten, Flugblättern und Plakaten. Sie behauptet, die Ideen der „naturgemäßen“ Erziehung seien ebenso in Gefahr wie der gesamte Naturalismus in der Pädagogik, die „vom Kinde aus“ gesehen werden müsse, und zwar außerhalb von religiösen Doktrinen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Schule hat in einer Presserklärung zu bedenken gegeben, ob das betroffene Gymnasium nicht den Namen Diesterweg ablegen sollte.
Aus der Schule selbst verlautet, dass der Vorgang nichts zu tun hat mit dem in der Presse berichteten Versagen vieler Siebtklässler.
Gott, so habe man auch hier vernommen, würde ganz selten direkt eingreifen, auch wenn Schüler häufig und bald in besonderen Räumen anderes erbeten.
Fritz Kummer
Der Titel ist eine Verballhornung des Originals aus „Die Gänsemagd“, Nummer 89 der „Kinder- und Hausmärchen“ der Gebrüder Grimm. Der Ursprungstext lautet:
„O du Fallada, da du hangest
O du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
ihr Herz tät ihr zerspringen.“